Zwölfmal im Jahr schießt meine Kamera von der „Bleiche am Döllnfließ in Kurtschlag“ einen Schnappschuss und friert das Motiv so für die Ewigkeit ein. Herr Zeilenende hat das Projekt „12 Monate“ als Blogger-Aktion im Februar 2017 angeregt … Hier kommt mein Fotoblick für den Monat Oktober:
Es herbstelt auf der Kurtschlager Bleiche. Das Eichenlaub kreiselt welk auf dem Wiesenland. Ansonsten ist hier gar nichts los. Erst zum Martinsfest im November wird es hier wieder belebter sein.
Also zücke ich zum letzten Mal für diese 12-Monate-Aktion eins meiner Schorfheidemärchen, das zwar nicht speziell vom Döllnfließ berichtet, aber von einem Berufstand, der am Fließ vor langer, langer Zeit siedelte. Wegen des großen Holzreichtums bekam unser Nachbardorf Groß Dölln 1729 eine Glashütte. Die lag unweit des Döllnfließes. Grünes Flaschenglas wurde dort hergestellt, bis die Hütte 1744 abbrannte…
Der Alchimist und der Herr der Tautropfen
Völlig unbemerkt war er mit seiner Wanderglashütte eingetroffen, der böhmische Alchimist und Glasmacher Johann mit seiner Sippe. Er lagerte dort, wo der Wald am undurchdringlichsten war. Nur selten durchquerten ein paar Mönche diesen Winkel der Heide. Johann hatte Gründe, sich gut zu verbergen. Um sein Glas aus Sand und Pflanzenasche zu schmelzen, benötigte der Glasmacher viel Holz. Zu viel, weswegen ihn der Fürst des Böhmerwaldes verjagte. Unterwegs hatte man ihm seine kostbaren Glaswaren gestohlen. Nun besaß er keinen Tauschwert mehr, um mit dem Herrn dieses Waldes, einen Handel zu schließen. Es durfte nicht auffallen, dass er heimlich Holz stahl, und deshalb musste sich der Mann etwas ganz Besonderes ausdenken, dass wenig Material benötigte.
Es war Nacht, Johann schaute in den Sternenhimmel und sorgte sich. Noch war es Sommer, aber die notdürftige Hütte, die er für seine Familie gezimmert hatte, würde im Winter nicht ausreichend Schutz bieten. Durch seine Finger glitt eine kleine, feine Kugel. Grün wie das Wasser im Döllnfließ und blau wie der Himmel an einem Sommertag war sie. Er hatte diese besondere Färbung heute erstmals erreicht. Der Glasmacher drehte und wendete das kleine Rund im Mondlicht, wobei es ihm plötzlich aus den Händen rutschte. Als Johann danach fingerte schrie ihn etwas an: „Nein, hinfort, das ist jetzt meine!“ Johann zündete ein Schwefelholz an und sah nach dem, was da so zeterte. Es war eine winzige grün-blaue Gestalt, die leuchtete wie seine Glaskugel. „Wer bist Du?“, fragte der Glasmacher und das kleine Wesen zirpte: „Ich bin der Herr der Tautropfen.“
„Ah“, Johann lächelte, „ein kleiner Nix auf Landgang.“
„So ist es, aber diese Kugel ist jetzt trotzdem meine, auch wenn Du mich erkannt hast.“
„Reg’ Dich nicht auf, ich schenke sie Dir“, sprach leise der Mann.
„Ach, wirklich?“ Der kleine Nix, halb Fisch, halb Frosch, schlüpfte in Johanns Schoß. „Verrate mir, wie Du sie gemacht hast – diese Kugel des Lichts.“
„Oh, ich habe sie aus diesem Sand dort gekocht“, erklärte der Mann.
„Aus diesem Staub da, dass glaube ich nicht“, zankte der Winzling und sagte: „Wenn Du wahr gesprochen hast, dann kannst Du mir ja für meine Liebste bis morgen Nacht eine zweite, gleiche Kugel formen.“ „Aber gewiss“, antwortete Johann, und indem verschwand der kleine Nix.
Am nächsten Tag kochte und goss der Alchimist eine zweite, ganz gleiche Kugel. Die leuchtete ebenso schön wie der Sommer. Und als nachts der Nix kam, die zweite Kugel zu holen, staunte er nicht schlecht. „Dieses Glas ist so herrlich wie das Wanderland und deshalb soll Dir auch ein wenig davon gehören, aber gehe sorgsam damit um!“ Dann griff der Nix nach der Kugel und entschwand.
Als anderentags Johanns Frau am Fluss Wasser schöpfte, fand sie eine Flaschenpost. Aufgeregt lief sie damit zu ihrem Manne. Der holte die Nachricht aus dem gläsernen Bauch: Es war eine Karte, die „Johanns Waldland“ beurkundete. Ein Hektar, gelegen am Fließ. Johann lächelte, von nun an hatte seine Familie hier ein Recht zu siedeln, aber für seine Wanderglashütte, würde das Holz auf dem Waldstück nicht reichen. Johann klopfte auf die gläserne Postille. Sie war aus grünem Waldglas, wenn er nun altes Glas zu neuem schmelzen würde? Dann müsste er keinen Wald mehr roden und könnte für immer hier bleiben. Der Alchimist sammelte seit diesem Tage zerbrochenes Glas aus der Landschaft. Grünes und weißes, beides erhitzte er getrennt und dem weißen gab er eine Priese Cobaltoxid hinzu, dass brachte die Farbe eines lichten Himmels in das Glas. Dann goss er daraus die grün-blauen, die Himmel-und-Erde-Kugeln, die ein kleiner Nix im Morgengrauen mit Tautropfen wusch und heimlich beseelte. Kein Wunder, dass bald ein jeder so einen schönen, kraftvollen Schmuck tragen wollte, und so Johanns Sippe in eine sorglose Zeit gelangte.
(Aus: Petra Elsner, „Schattengeschichten aus dem Wanderland – Schorfheidemärchen“, zurzeit verlagsseitig vergriffen, aber noch bei mir im Atelier für satte 6 Euro, zzgl. Versand zu haben.)
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Liebe Petra, du bist zwar eine Woche zu früh dran, aber weil du soooo schön gezeichnet und geschrieben hast, lasse ich es mal durchgehen 🙂
Lieber Arno, so kann es gehen. Ich war irgendwie schon eine Woche weiter – im Geiste. Danke für das Durchgehenlassen und die lobenden Worte :)! Ja, die kommende Woche wird so dicht, dass ich hier mal wieder eine Handvoll Tage schweigen werde. Hab einen schönen Sonntag und alles Gute für Dich!
Oh, mal eine neue Perspektive. Jetzt mit Straße im Vordergrund. Gefällt mir motivisch auch sehr gut, weil sich so ein Querverlauf immer gut macht. Und das Licht ist wirklich super.
Dass du eine Woche zu früh dran warst, macht ja nix. Ich bin dafür mit dem Verlinken fast eine ganze Woche zu spät. Tempus fugit. *g*
Ja, Freies Theater im Lauf der Zeit. Der Witz ist, ich hatte das gerade im Blog und erst danach, bei den Nachrichten bemerkte ich, dass bis Monatsende noch eine Woche hin war… Sehr seltsam. Danke für Deine Worte, lieber Herr Zeilenende 🙂