Morgenstunde (1112. Blog-Notat)

Die letzte Rose im Hof….

Zweigeteilte Tage: vormittags Weinschnitt, nachmittags zieht das Leben nach innen. Der Regen macht uns schläfrig. Noch so einen Schneideinsatz, dann haben wir den Wildwuchs des Weinstocks wieder im Griff. Es war ein schönes Hand-in-Hand-Arbeiten mit dem Liebsten, meine Energie hatte eine ungewöhnliche Hochform. Ich staune immer noch über die irren Schwankungen. Ansonsten habe ich dieser Tage das Thema für meine Winterklausur 2026 gefunden: Es sollen Miniaturen (Kurzprosa) zu meinen gestalteten Lyrikblättern entstehen.  Nie mehr als 800 Zeichen, so dass zum Bildformat auch ein Textquadrat entsteht. So ist der Plan.
Hier ein Probestück, etwas in der Art soll es werden:

Lebensschönheit

Als ich Kind war, gab es sie noch, die Lebensschönheit. Gemeint ist nicht die Schönheit der Natur, sondern der Gang des Lebens mit diesen berührenden Momenten, von denen ein Menschenleben zehrt. Die Langsamkeit an einem Sonntag schon beim Frühstück. Der mit geerbtem Porzellan gedeckte Tisch, frische Brötchen, Eier im Glas, heiße Schokolade und Kaffee, das ausgedehnte Plaudern miteinander. Keine Termine, nur den Sonntagsbraten und das Schläfchen danach. Zur Kaffeezeit erzählt der Großvater eine Lausbubengeschichte. Später gibt es die 2,50 Mark auf die Hand für die Nachmittagsvorstellung in den Fontanelichtspielen. Währenddessen lieben sich die Eltern und rauchen Zigaretten im Bademantel als wir wiederkommen. Wir wissen warum und kichern verlegen. Bis zum Abendbrot spielen wir Federball mit den Nachbarkindern auf der Straße. Es sind nur wenige Autos unterwegs, nur gut gekleidete Spaziergänger. Das Städtchen ist grau, aber das Kinderlachen überall machte es hell.