Milchmond (4)

Winterschreibarbeit zum Krimi “Milchmond”. Foto: Petra Elsner

… Sechs Uhr morgens. Alle paar Minuten stocherten Scheinwerfer hinaus in das Nachtblau. Nach dieser Salve kehrte die Stille zurück und legte sich schwer in die Landschaft und über das Straßendorf. Julie Acker döste am Küchentisch über einem Humpen Kaffee. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugemacht und sich eben für ihre Schicht entschuldigt. Laura war nicht gekommen, so konnte die Krankenschwester den Hof mit der dementen Mutter nicht verlassen. Jetzt starrte sie mit leeren Augen in das Morgengrauen und dachte über diese dörfliche Stille nach. Es war ihr, als würden gerade auf der bemoosten Bank zwei Schatten platznehmen. Julie rieb sich die Augen, die Umrisse erinnerten an Thea und Karl, lange schon verstorbene Nachbarn. Die saßen früher immer nachmittags dort beieinander und schwatzten was das Zeug hielt. Jetzt murmelten sie wieder etwas. Julie öffnete leise das Fenster, lauschte und hörte zwei dünne, ächzende Stimmen: „Weißt du noch, was hier einst für ein Betrieb war.“ „Hm, schön laut war es von den scheppernden Traktoren, Heuwendern, Landmaschinen, den knatternden Mofas und den Kreissägen. Aber jetzt – bis zum Horizont Einsamkeit. Aus Sandberg ist ein Schlafdorf geworden.“ „Hm, und Eine liegt unterm Laub.“
Manchmal schon hatte die Frau am Fenster die Schattengestalten auf der Moosbank hocken sehen, aber die Beobachterin dachte sich nur, es sei ein Tagtraum, gespeist aus sehnsüchtigen Erinnerungen. Denn ja, Julie litt wie viele in Sandberg an dem Dunkel der Stille…

© Petra Elsner
Januar2018

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Der Text darf ohne Angabe des Urhebers nicht weiterverwendet oder kopiert werden. Auch das Zitieren von Textstellen bei Veranstaltungen bedarf meiner Genehmigung.

Alle in dieser Kriminalgeschichte vorkommenden Namen, Personen, Organisationen, Orte sind erfunden oder werden rein fiktiv benutzt. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Geschehnissen, Orten oder Personen, lebend oder tot, sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.

 

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