Milchmond (21)

Öffentliche Winterschreibarbeit zu “Milchmond”, eine Kriminalgeschichte von Petra Elsner.

… Auf Anhieb berührte ihre Trauer sein Herz. Sie floss mit seiner zusammen. Ungefragt, ungebeten, einfach so. Kai Fischer hatte vor einem Jahr Frau und Tochter verloren. Ein Unfall bei Blitzeis auf der A10. Seither wunderte er sich jeden Abend, dass er morgens überhaupt aufgestanden war und Schritte in den Tag gesetzt hatte. Er dämmerte mehr als dass er lebte, nur die Arbeit sorgte dafür, dass die Trauer stundenweise unter den Verrichtungen schwieg. Ansonsten brannte sie in jeder Zelle seiner hageren Gestalt. Unaufhaltsam, so schien es ihm jedenfalls bis eben, als ihn die Trauer von außen ansah.
Seit dem Fund an der Waldstraße waren zwei Tage vergangen. Julie Acker hatte sich mit Hausmeister Fischer in Lauras Wohnung verabredet. Ermittlerin Korn wollte sich von dem Lebensmittelpunkt der Toten ein Bild machen und nach möglichen Hinweisen suchen. Während Korn sich umsah, die Regale durchstöberte, standen Fischer und Julie unbeholfen in dem kahlen Zimmer. Alles wirkte irgendwie nur hingestellt, abgestellt, nicht eingerichtet. Die Ermittlerin fand: „Recht minimalistisch. Es sieht nicht gerade so aus, als lebte sie gerne hier.“
Julie nickte: „Ja, es war nur ihr Fluchtpunkt. Zwischen all der Arbeit, in der sie steckte, war eigentlich nur Zeit zum Schlafen. Leben ist anders. Aber nach der Geschichte mit Otto Ehrenburg fühlte sie sich offenbar ungeliebt und das kommt dabei raus.“ Ihre Hand wies offen durch den Raum, der mehr einer Abstellkammer glich.
Sie sah zu Kai Fischer und fragte: „Könnten Sie mir ein bisschen helfen, die Wohnung zu räumen? Nach Weihnachten will ich sie der Verwaltung übergeben.“
„Klar, mache ich“, antwortete Fischer und bot an, die Sachen mit dem Transporter nach Sandberg zu fahren.
Julie blinzelte dankbar und fragte die Kripofrau: „Das geht doch in Ordnung, oder brauchen Sie die Wohnung noch zu irgendetwas?“
Franziska Korn schüttelte den Kopf: „Nein, alles gut, Sie können die Wohnung auflösen, es gibt für uns hier nicht wirklich etwas zu entdecken.“ …

© Petra Elsner
Februar 2018

Hinweis zum Urheberrecht:
Der Text darf ohne Angabe des Urhebers nicht weiterverwendet oder kopiert werden. Auch das Zitieren von Textstellen bei Veranstaltungen bedarf meiner Genehmigung.

Alle in dieser Kriminalgeschichte vorkommenden Namen, Personen, Organisationen, Orte sind erfunden oder werden rein fiktiv benutzt. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Geschehnissen, Orten oder Personen, lebend oder tot, sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.

 

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