Milchmond (16)

Öffenliche Winterschreibarbeit zur Kriminalgeschichte “Milchmond” von Petra Elsner.

… Der Abend kippte. Im Dorfkrug sinnierten die Einheimischen, wer, wann Laura wo zuletzt gesehen hatte. Selbst der Wirt fand zu seiner Sprache zurück und nuschelte irritiert vor sich hin: „Laura würde doch nie einfach verschwinden. Selbst wenn sie noch so sauer wäre, sie würde eine Ansage machen, bevor sie in irgendeinen Flieger stiege.“
Die Zwillinge waren sich einig, sie hatten am späten Abend des 24. Novembers ihren froschgrünen Opel auf der Chaussee nach Groß Dölln gesehen. Klaus war unschlüssig: „Wir kamen gerade vom Skat bei unserem Golliner Kumpel. Ob da allerdings wirklich Laura drin gesessen hat, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Dazu war es natürlich zu dunkel. Jedenfalls sind wir dort ihrem Blitz begegnet.“
Julie nickte: „Das war kurz nach der Zeit, als Laura stinksauer den Hof verließ. Wir hatten uns wieder einmal in den Haaren. Nichts Besonderes. Ihr wisst ja, sie ist ein bisschen verschwenderisch, borgt sich schnell mal Kohle und gibt sie dann ewig nicht zurück. Ich bin gerastet und sie ist demonstrativ davon gerauscht – mit scheppernden Türen und bösen Worten.“
„Aber, dass sie ihren Pflegeschichten bei eurer Mutter nicht nachkam, das ist doch außergewöhnlich oder“, fragte Dörte.
„Ja, stimmt schon“, antwortete Julie, „Das kam noch nie vor, aber ich dachte, vielleicht war für sie das Maß einfach mal voll. Schließlich liegen bei uns beiden die Nerven blank. Die Pflege der Mutter – es ist hart zu erleben, wie sich ein Menschkopf nach und nach entleert. Da ist es nicht unverständlich, wenn eine die Chance ergreift, um sich mal wegzuducken.“
„Das denkst du“, wunderte sich die alte Rosa, „das deine Schwester den Streit zum Anlass nahm, um  sich eine Auszeit zu gönnen?“
Julie murmelte: „Irgendwie schon.“
„Das glaube ich nicht!“ mischte sich Anton ein. „Sie ist zwar eine Verschwenderin, aber ich kenne keine bessere Altenpflegerin. Als sie letztes Jahr noch im Dorf lebte, hatte sie meine Mutter betreut, da gab es nie etwas auszusetzen. Das Mädel ist wie ein Uhrwerk, absolut zuverlässig bei den Alten.“
Die Leute im Dorfkrug wurden plötzlich beklommen still, keiner sprach aus, was alle dachten. Dumpfe Ahnungen hocken zwischen allen Stühlen: Etwas Schlimmes musste geschehen sein…

 

© Petra Elsner
Februar 2018

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Alle in dieser Kriminalgeschichte vorkommenden Namen, Personen, Organisationen, Orte sind erfunden oder werden rein fiktiv benutzt. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Geschehnissen, Orten oder Personen, lebend oder tot, sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.

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