Sagenhafter Barnim

Das Kindel in den Schönower Niederungen:

Kindelwald. Zeichnung von Petra Elsner
Kindelwald. Zeichnung von Petra Elsner

Die sumpfigen Niederungen und der Wald vor Schönow raunen eine alte Legende: Die herzzerreißende Geschichte vom Kindel, die aus kriegerischen Zeiten rührt.
Der Sage nach flüchteten die Schönower eines Tages mit all ihrem Hab und Gut vor brandschatzenden Horden in den nahen Sumpf im Norden. Der Pfad dorthin lag verborgen im Dickicht. Nur die Einheimischen wussten, wie man über das schlingernde, morastige Waldland zu einer festen Insel gelangen konnte. Eilig war der Aufbruch, denn in der Ferne sahen die Schönower am weiten Nachthimmel die Brände in der Nachbarschaft. Bald würden die wütenden Männer auch ihren Ort zerstören. Das nackte Leben war nur sicher, weil die Bauern diesen geheimen Unterschlupf kannten. Doch als sie ihr Nachtlager unter hohen Baumkronen aufschlugen, bemerkten sie, ein Kind fehlte. Es blieb unklar, ob es vergessen wurde oder sich verlaufen hatte. Inzwischen waren die feindlichen Horden in Schönow eingefallen und durchsuchten Hof für Hof nach Menschen und Schätzen. Doch sie fanden nur diesen kleinen Jungen, der ängstlich in einem Schatten kauerte. Rüde zerrten sie ihn in den Feuerschein und prügelten auf ihn ein, als er über das Versteck der Dorfbewohner schwieg. Vielleicht wusste das Kind den Weg nicht, vielleicht beschütze es aber auch ein ganzes Dorf.
Schönow ging in dieser Nacht in Rauch und Flammen auf, und kindliche Schmerzschreie zerfetzten das Dunkel. Als es still wurde, zogen die Feinde weiter. Anderntags fanden die Angehörigen am Rande des Sees die Leiche des gepeinigten Knaben. Atemschwer waren Mensch und Landschaft bei diesem furchtbaren Anblick. Und so kam es, dass man seit jenem düsteren Morgen das sumpfige Waldland und die ganze Gegend um Schönow nur noch „das Kindel“ nennt. Und in manchen Herbstnächten weht dort sein ruheloser Geist durch die Zeit.

(Mündlich überliefert, notiert von Rudolf Bügel in “Sagen und andere Geschichten aus dem Barnim”, verdichtet und aufgefrischt von Petra Elsner)

 

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