Sagenhafter Barnim

So, das nächste Teil ist fertig …

Die weiße Frau zu Chorin – oder die Wolkengöttin in Latschen

Die weiße Frau zu Chorin Zeichnung: Petra Elsner
Die weiße Frau zu Chorin
Zeichnung: Petra Elsner

Einst beherbergte das Kloster Chorin bescheidene Zisterziensermönche. Doch mit der Reformation in Brandenburg fiel der Kirchenbesitz an den Landesfürsten. Das Klosterleben verlotterte und der stattliche Bau verkam zur Ruine. So wundert es nicht, dass hier sehr bald eine weiße Frau umging. Eine mächtige und furchterregende Holda. Immer zur Mitternacht durchstieg sie die bröckelnden Gemäuer. Wer es wagte, sie anzusprechen, würde ein grausames Schicksal erfahren, munkelte man in Chorin. Ein Schauerlied begleitete jeden Schritt der Wolkenfrau. Das kam vom Rasseln der Schlüssel an ihrem Gürtelbund. Sie tönten bedrohlich wie ein Gewitter. Doch urplötzlich hat sie ihren Spuk aufgegeben. Und das kam so:
Ein Mann, der in der Brauerei des einstigen Klosters nachts auf dem Darrboden wachte, sah die weiße Gestalt durch die Nacht wehen. Der Wächter war nicht leicht zu erschrecken, trotzdem verbarg er sich im Dunkel, nur seine Augen folgten ihr. Anderntags erzählte er den Brauknechten von seiner nächtlichen Begegnung. „Und“, fragte einer, „hast du auch ihre Füße gesehen?“ Der Wächter verneinte das, aber die Männer verabredeten sich, gemeinsam nachzusehen. Kurz vor der Geisterstunde schlichen sie sich auf den Darrboden und warteten. Als die weiße Frau erschien, blickten sie im Schein einer Laterne sogleich auf ihre Füße und einer prustete lautstark: „Ha, die hat ja gelbe Pantoffeln an!“ Die vermeintliche Geistergestalt zuckte kurz zusammen und huschte sogleich in die schützende Dunkelheit. Und fortan ward die weiße Frau in der Klosterruine nie mehr gesehen.

(Nach Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, aufgefrischt und erweitert von Petra Elsner)

Nachtrag vom 3. März 2016:

Wir waren heute im Kloster Chorin, das sich gerade auf sein großes Osterspektacel vorbereitet. Auf dem Rückweg kamen wir am alten Brauhaus vorbei, wo einst Dünnbier für die Mönche gebraut wurde. Hinter diesem Fenster befindet sich der Darrboden, in dem – der Sage nach – die weiße Frau zu Chorin umging …

Fenster zum Darrborden.  Foto: Lutz Reinhardt
Fenster zum Darrborden.
Foto: Lutz Reinhardt

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7 Gedanken zu „Sagenhafter Barnim“

  1. Liebe Petra, im Stichpunktestil:
    1. Danke, danke, danke für die Deine täglichen Zeilen, die wohltuend aus dem Zeitungsdeutsch (Chr. Wolf) herausspringen und gaaanz andere Themen begleiten als sonst um einen herum.
    2. Die Bilder stehle ich mir häufig, indem ich sie auf Arbeit auf den Grafik-Desktop lade und manchmal A3 ausdrucke und in meinem Büro aufhänge.
    3. Ach wenn doch in jeder Ruine so eine weiße, furchterregende Holda auftauchte 🙂 Aber mit Gummistiefeln 😉
    4. Die Ruine ähnelt den Resten der kleinen Wasserburg in Vehlefanz (aber da warst Du ja noch nie)
    LG von Gitta
    (PS: Die Wolkenfrau sieht für mich nicht poltrig aus. Die Kerle verlieben sich in sie, glaub mir. Und: Sie erinnert mich an Dich.)

  2. Hallo, meine liebe Gitta, lange nichts gehört, dafür diese warmherzigen Worte zum Lohn. Vielen Dank. Die Ruine stammt wirklich aus einem Klosterteil von Chorin. Aber bröckelnde Steine sind sich wohl immer irgendwie ähnlich. Ja, ich stehle mich für ein paar Stunden mit dem Zeichnen und Verdichten des Urstoffs ein wenig weg, für eine kurze Zeit, um dann für unser Überleben weiter zu kämpfen, Du weißt, für Printer sieht es derzeit übel aus … Halt Dich tapfer und sei umarmt, Deine Petra aus dem tiefen Schorfheidewald.

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