Die Sagenbearbeitung:
Der Teufel vom Mühlentor

Zeichnung von Petra Elsner
In einer Zeit, als in Bernau noch das alte Mühlentor stand, lebte in einem der geduckten Häuschen an der Hohen-Stein-Straße der Torwächter mit seiner Familie. Die Stadt bezahlte den Mann für seine Dienste nicht besonders gut. Um sein Einkommen aufzubessern, schaffte er sich einen Ziegenbock an. Das war so ein Prachtexemplar mit großen Hörnern, leuchtend grünen Augen, einem langen Ziegenbart und einem seidig glänzenden schwarzen Fell. Der fleißige Bock beglückte fortan die über 900 Ziegen in der Stadt, und der Torwächter bekam dafür von den Ziegenbesitzern ein paar Silberlinge. Allerdings war der Bock ein freiheitsliebendes Tier und riss ab und zu aus.
An einem Tag im milden Altweibersommer war der Küster von Ladeburg nach Bernau unterwegs. Er trug schwer an seinem Rucksack, in dem Tonkruken leise beim Gehen zusammenstießen. Er lächelte bei diesem Klang voller Vorfreude in sich hinein, denn die Wochenration Kornbrand für sich und seine Freunde hatte er schon verkostet. Das hob seine Stimmung. Doch der Weg war weit, die Sonne brannte und der Durst des Küsters wurde größer. So kam es, dass er am Rollberg angekommen schwer torkelte und die Beine ihn nicht mehr weiter tragen wollten. Da gönnte sich der Küster ein Schläfchen im hohen Gras am Straßenrand. Erst im letzten fahlen Licht des Tages erwachte er wieder, denn etwas berührte ihn. Als er die Augen aufschlug, erschrak sich der verwirrte Zecher: Grüne Augen starrten ihn an und ein schwarzer Bart fuhr ihn durchs Gesicht. Mächtige Hörner drohten ihn zu stechen und ein fauler Atem schlug ihm entgegen. Der Küster schrie in Todesangst: „Herrje, der Leibhaftige!“ Er wand sich aus diesem schaurigen Anblick, sprang auf die wankenden Beine und stolperte mit rasendem Herzen in die Dunkelheit. Der erste Schritt stieß den Rucksack um und die Kornkrucken zerbrachen. Der Küster ließ alles stehen und liegen. Er rannte vollkommen aufgelöst durch die Nacht. Keuchend erreichte er schließlich Ladeburg und erschreckte seine Freunde mit dem wildem Ruf: „Der Teufel, der Teufel!”
Indes war der Torwächter auf der Suche nach seinem wieder einmal flüchtigen Bock. Er lief wallauf, wallab, durchsuchte den Park, sah in der Lehmkute am Mühlenberg nach; auch an den Tümpeln hinter dem Georgenhospital war das Tier nicht zu finden. Der Torwächter fluchte und stapfte missmutig weiter zur Ladeburger Straße. Dort blitzte plötzlich im Straßengraben etwas Helles und daneben atmete etwas. Der Torwächter erkannte seinen Bock, der mit dem Kopf in den Scherben lag. Erschrocken kniete er nieder und bemerkte, das Tier schlief nur, aber stank wie eine Schnapsbrennerei. Dankbar murmelte der Mann: „Nur besoffen ist der Schwarze! Na, dann will ich mal den Handwagen holen.”
Wenn der Torwächter von nun an seinen schwarzen Bock suchte, fand er ihn stets genau an dieser Stelle am Rollberg vor.
(Nach Rudolf Bügel, verdichtet und aufgefrischt von Petra Elsner)
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Diese Ziegenböcke aber auch?
Eine feine Geschichte, danke.
Gerne. Ja, schwarze Böcke können des Nachts schon unheimlich sein…