
Zeichnung: Petra Elsner
Die Schlangen und die Bürgerglocke von Bernau:
Vorzeiten wimmelte es in der offenen Feldmark rund um die mittelalterliche Stadt Bernau von Nattern und Schlangen. Um die Bekämpfung der Plage zu besprechen, sollte die gesamte Bürgerschaft zusammengerufen werden. Jedoch war die Stadt so angewachsen, dass es eine Glocke brauchte, alle Bewohner hörbar zu rufen. Doch so eine Glocke besaß Bernau damals noch nicht. Das sollte sich ändern und so wurden die Bernauer gebeten, all ihr wertvolles Metall, gleich ob als Gefäß oder Schmuckstück dem Unterfangen zu spenden.
Die meisten Bürger ließen sich nicht lumpen und trugen ihre Schätze herbei, damit der große Glockenguss gelingen konnte. Als schon die glühend heiße Gussmasse blubberte und brodelte, trat eine als Hexe verschriene Alte an den gewaltigen Trog. Die Bürger sahen die Gestalt mit Unbehagen, was nicht besser wurde, als sie mit gehobener Stimme einen Zauber zu sprechen begann: „Schlangen und Nattern werden verschwinden, soweit der Klang der Glocke reicht. Ohne Schlangen und Nattern wird die Gegend sein!“ Während sie sprach öffnete sie ihr Bündel, in dem sich eine Kreuzotter und einer Ringelnatter wanden. Die warf die Frau beim letzten Ton ihres Spruchs in den siedenden Guss. Den Menschen war es nicht wohl bei diesem Anblick, aber als die Glocke im Kirchturm hing und angeschlagen wurde, verschwanden mit ihrem Läuten Schlangen und Nattern hinaus in die Flur, soweit der helle Glockenklang vernehmbar war. Als allerdings über die Zeit die Bürgerglocke einen Riss bekam, kehrte das Gewimmel zurück, doch nur solange, bis 1649 eben diese Glocke umgegossen wurde. Nach dem ersten Glockenschlag verkrochen sich abermals die ungeliebten Tiere.
(Nach Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, aufgefrischt und erweitert von Petra Elsner)
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