… oder wie die Fische im Grimnitzsee zu ihrem silbernen Gewand kamen:

Zeichnung: Petra Elsner
Am Grimnitzsee lebten einst zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Der eine war gutmütig, der andere bösartig und neidisch. Sein hartes Herz verletzte mit jedem Schlag das weiche Herz des Bruders und löste dabei ein Stäubchen von ihm ab. Diese Lebenswölkchen entschwanden allesamt im Wasser des nahen Sees.
Als das allerletzte Stäubchen entwichen war, fiel der gutherzige Bruder tot um. Der Mann mit dem Herzen aus Stein rieb sich die Hände und war froh, denn nun musste er keine Fische mehr teilen. Doch als er heimkehrte, tanzten in seinem Katen unzählige, flirrende Teilchen im Raum, die auch ein Luftzug nicht vertreiben konnte. Stattdessen sprachen die Stäubchen mit der Stimme des toten Bruders: „Dein hartes Herz hat meins zerrissen. Jedes Stäubchen von meinem Herzen steht für einen Fisch, den du mir nicht gegönnt hast. So viel Neid konnte ich nicht mehr ertragen. Trotzdem hege ich gegen dich keinen Rachegedanken, was ich dir beweisen will: Geh, hole meinen alten Rock und hänge ihn in den Staub. Wenn nur ein einziges Stäubchen einen Groll gegen dich enthält, dann soll er wie ein nasser Sack zu Boden fallen. Wenn nicht, dann werden ihn meine guten Gedanken festhalten und tragen. Der bösartige Bruder holte den Rock herbei und staunte, als der im Staub hängen blieb. Er schwebte wie von Zauberhand getragen. Da bereute er all seine üblen Gedanken und miesen Taten. Abends ruderte er auf den Grimnitzsee und weinte und weinte. Jede bittere Träne, die in den großen, flachen See tropfte, wurde zu flüssigem Silber. Alle Fische überzog es mit seinem Glanz, aus dem man Perlen gewinnen konnte. Die Wasserfurche am Bootsheck formte aus den Trauertränen ein Silberband. Dieser glitzernde Streifen war noch viele Jahre zu sehen, bis schließlich auch der weinende Bruder starb. Damals verschwand der Silberschweif im Grimnitzsee. Nur seine Fische tragen bis auf den heutigen Tag ein silbernes Gewand.
(Nach Rudolf Schmidt, Sagenschatz des uckermärkischen Kreises Angermünde, 1920, aufgefrischt von Petra Elsner)
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Wenn es nur immer so gänge mit dem Bereuen…
… in den Sagen (Märchen) gehts ab und zu… 🙂 Schönen Abend Frau Arabella!
…komm, wir hoffen weiter…auch im wahren Leben:-)