
Foto: Lutz Reinhardt
Ulrich Sievers hatte gehört, in der Schorfheide wäre eine Landwirtschaft zu verkaufen. Das klang verführerisch, denn der Ruf der berühmten Schorfheide war ungebrochen. Nur das Gut Sarnow dämmerte welkend vor sich hin. Die Zeiten als Volkseigenes Gut waren längst Geschichte und der erste Versuch eines neuen Eigentümers scheiterte. Selbst Einheimische preschten über die sogenannte Wellenschaukel, die Straße zwischen Eichhorst und Groß Schönebeck, an dem kleinen Waldfenster zum Gut Sarnow mit ihren Autos vorbei, als wäre dort einfach nichts mehr. Verwunschen lag es in den Schorfheidedünen hinter Eichen, Buchen und Kiefern versteckt und hoffte, wachgeküsst zu werden.
Es war Winter 2006/7 als die Berliner Kristina und Ulrich Sievers durch die schmale Waldschneise steuerten und sich der dunstige Himmel zu öffnen schien: So weit das Auge sah Wiesen- und Weideland, gesäumt von tiefem Wald wie ein Vierseitenhof. Das kleine Hotel mit Restaurant gähnte verlassen, und die Wirtschaft duckte sich unter dem Grau von Asbestdächern. Kristina Sievers musste viel innere Hingabe motivieren, um sich vorstellen zu können, welche Schönheit diese winterliche Brache im Sommerhalbjahr verströmt. Die Pinnowseen und der Werbellinsee sind nahe, unweit wachsen uralte Hutewaldeichen wie aus einem Märchen entliehen – es ist das Kerngebiet der Schorfheide.
Mit der Zeit war auch Kristina verzaubert, und die planenden Gespräche der PR-Frau und des BWL-Dozenten nahmen eine unumkehrbare Fahrt auf. Nach einem Dreivierteljahr schwieriger Verhandlungen kauften sie das Objekt. Seither tragen die beiden Freiberufler ihre Kraft von drei Wochentagen und ihre Verantwortung nach Brandenburg.
Landwirtschaftliche oder gastronomische Erfahrungen hatten sie anfänglich nicht. Kristina benennt ihren Antrieb „einen romantischen Traum“. Nur der wurde im mühevollen Alltag erst einmal geerdet und mündete in der Einsicht: Ohne qualifizierte Fachleute geht es nicht. Der Chefkoch von Gut Sarnow, Guido Schubert, steht für frisch zubereitete regionale Spezialitäten. Denn Schorfheide, Wildbrett und fangfrischer Fisch gehören einfach zusammen. So überlässt das Paar nach anfänglichen Selbstversuchen die Geschicke in Hotel und Restaurant ihren engagierten Mitarbeitern, die aus der Umgegend stammen.
Frau Sievers, studierte Germanistin, hat ein sicheres Gespür für die Inszenierung interessanter literarisch-musikalischerAbende, Ausstellungen und Konzertein der KulturGut-Scheune oder winterwärts im Restaurant. Ulrich Sievers engagiert sich als Bauherr mit klugem Kalkül und Feinsinn.
Mehr als 3000 Quadratmeter Nutzfläche mit heute zwei Reithallen, Stallungen, Koppelanlagen und einem Außenreitplatz gilt es zu bedenken. Zuerst stand die marode Bausubstanz im Visier. Da waren eingebrochene Dächer zu sanieren. Heute tragen fast alle Solarmodule, die das Gut stromtechnisch autark gestalten. Vor vier Jahren brannte eines Nachts die große strohgefüllte Scheune ab. Wie es dazu kam blieb ungeklärt, aber man trennte sich von dem damaligen Pächter. Die Brandruine war nicht gerade ein einladender Anblick. Was sollten sie tun? Die Gedanken zuckten hin und her. Um den Standort für den Reitsport interessant zu machen, entschlossen sie sich eine neue Reithalle zu errichten. 2012 wurde sie Wirklichkeit. Mit einer Länge von 60 Metern und 20 Metern Breite erreicht die Halle internationale Turniermaße. Der hölzerne Fertigbau ist gewissermaßen „von der Stange“, aber Ulrich Sievers hatte dafür eine kleinteilige Fensterfront aus einer alten Fabrikanlage in Süddeutschland organisiert, die hier ein Glaser vor Ort dem Bauwerk anpasste. Nun ist es nicht mehr ein hölzerner Klotz in der Landschaft, sondern ein transparenter Bau, der Einblick auf die Pferde im Innern gewährt. Wunderschön sieht diese Front aus. Nutznießer dieser komfortablen Reithalle sind seit 2012 die zwei auf Gut Sarnow ansässigen Reitställe „Joana und Freunde” und der Reitverein Stall „Ruby Rose”.
Durch die mutigen Investitionen der Sievers zieht indes stetig neues Leben auf das Gut, was wiederum Wachstum befördert: Im Sommer 2013 kam es zum Dachaufstockung für das Hotel, ein Seminarbau soll folgen. Die Sievers haben inzwischen zwei Söhne: Friedrich (der kleine, vier Jahre) und Justus (zwei Jahre) – die Augenfreude der stolzen Eltern. Aber es wird auch anderen das Herz warm, denn die spürbare Zukunft von Gut Sarnow ist auch ein Freudenfunken für die Region. (pe)
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