Nach 35 Ehejahren gestand mein Vater erstmals meiner Mama: „Liebste, du kannst kochen, was du willst, es schmeckt immer wie Gulasch.“ Wer ernährungstechnisch so aufwuchs, tut gut daran, einen Koch im Freundeskreis als Chance zu verstehen.
Horst tauchte mit den vielen Zuzüglern Ende der 90er Jahre in unserem Berliner Kiez auf. Anders als die meisten, hockte er sich leise auf Probe in Karls Kneipe und beobachtete mit hellwachen Augen das Szenario, bis ihn man/frau in die Gespräche zog. Kein attitüdenhaftes Gespreize, kein altkluges Gelaber. Der Norddeutsche bestach durch messerscharfe Bemerkungen, die keinen unnützen Wortschnörkel duldeten. Horst mutierte damals gerade vom Koch zum diplomierten Historiker. Und er gab mir einen lehrreichen Tipp, der meine späten Kochbemühungen durchaus unterstützte. Er meinte: „Wenn du wirklich kochen lernen willst, musst du dafür ein gewisses Gespür entwickeln. Nimm‘ einfach eine Mohrrübe und schneide davon ein paar runde Scheibchen, dann kleine Würfel, Streichholzformate, der letzte Teil wird geraspelt. Jede geschnittene Art brätst du dann kurz in Butter und kostest. Du wirst merken, obgleich alle Portiönchen von derselben Möhre stammen, jedes schmeckt anders, nur, weil es anders geschnitten ist. Dann probiere die gleiche Aktion in allen anderen Garvarianten …“ Der Test war für mich eine echte Offenbarung, und seither schmeckt zumindest mein Gemüse nicht mehr immer gleich. Horst hat als junger Bursche aus schlichten Verhältnissen auf Sylt Kochen gelernt. Womöglich hat er zu viel des Guten gesehen, jedenfalls wuchs er so auf kurzem Wege als zorniger junger Mann der linken Szene zu. Vielleicht waren es die neuen Wahlverwandten in Karls Kneipe, dem Kiezwohnzimmer, die ihn ein bisschen weichspülten, vielleicht war es auch anderswo. Bei Axel Prahls Premierenpartys oder wo auch immer. Inzwischen ist Horst ein befriedeter Stadtkrieger, der zu seinen privaten Festen opulenteste Edelpasteten serviert. Kurios – vor allem für alte Freunde aus seinen kantigen Zeiten. Wenn schon: Jeder, der neben seinen Visionen (gleich welchen) auch noch die sinnliche Lebensflanke entdeckt, ist für mich, menschlich gesehen, auf der sicheren Seite. Horst schenkte mir dieses von ihm selbst erfundene Rezept:
Pikante Muffins
Grundrezept (reicht für 12 Muffins = 1 Blech, wie viel das in Papiermanschetten sind, hängt von deren Größe ab) Zutaten: 100 g Mehl, 100 g Stärkemehl, 50 g Haferflocken, 1 Ei, 1 Päckchen Backpulver, 0,3 l Buttermilch, 40 ml Öl, ca. 150-250 g Fleisch und/oder Gemüse (al gusto), ggf. Käse, Salz, Prise Zucker, Kräuter, Gewürze (z.B. Petersilie, Dill, Basilikum, Majoran, Estragon, Muskat, Ingwer, Curry, Paprika, Curcuma) nach Belieben. Statt Buttermilch können auch Dickmilch, Joghurt, Milch, Saure Sahne oder Brühen (Gemüse, Hühner, Fleisch) verwandt werden. Bei Brühen weniger Salz. Zubereitung: Flüssigkeit, Eier und Gewürze verrühren, Mehl, Stärkemehl, Backpulver, Haferflocken mischen und nach und nach in die Flüssigkeit geben. Der Teig wird relativ fest, daher Knethaken verwenden. Gemüse in Würfel schneiden und blanchieren. Als Fleisch eignet sich Kasseler, Hack, roher oder gekochter Schinken, Geflügelbrust, alle Edelfische, Muscheln, Krabben, und worauf man sonst noch Appetit hat. Lecker sind auch immer angebratener Speck und Zwiebeln. Gemüse und Fleisch/Fisch entweder in den Teig geben und verrühren, dann in die Form geben. Oder: einen kleinen Spiegel in die Form löffeln, die Zutaten eingeben, dann mit Teig übergießen. Die Formen ca. zur Hälfte füllen. Nun noch mit Käse oder Mandel bestreuen, eine Tomatenscheibe oder Speck drauflegen und bei 180 Grad ca. 15 bis 20 Minuten backen. Wenn die Muffins gar sind, lösen sie sich leicht vom Rand.
Muffins sind ganz schnell und leicht zu machen. Sie schmecken kalt wie warm. Muffins sind übrigens prima aufzuwärmen (10 min bei 120°). Sie können als kleines Hauptgericht mit etwas Salat und einem Dip oder als Snack bei einer Party serviert werden. Es lassen sich die unterschiedlichsten Variationen zubereiten, deren Grenzen nur durch die Phantasie gesetzt sind. Last but not least: Muffins sind günstig herzustellen.

Zeichnung von
Petra Elsner
aus “Die Mappe meiner Großmutter”, hangebundenes, limitiertes Künstlerbuch.
PS: Horst Leutemann unterhält inzwischen ein feines Restaurant mit allerlei Feinkost und Pasteten unter dem Namen “Leutemanns” in der Berliner Bötzowstraße 23.
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Tolle Geschichte, tolles Rezept.:-)
Ja, gerne, viel Spaß beim ausprobieren :).