Morgenstunde (199. Blog-Notat)

Das Lager für unsere Freunde, die morgen aus Mannheim zu uns kommen, ist aufgeschlagen: Im Bilderspeicher unterm Dach. Das Plätzchen richte ich nur für sehr, sehr wenige Menschen als spartanisches Nachtquartier. Unser Häuschen hat auf der Wohnebene nur 75 Quadratmeter zu bieten, da ergibt sich kein Platz für ein Gästezimmer. Aber so inmitten meiner Bilderwelt zu nächtigen ist eben auch etwas Besonderes – im Sommer…
Diese Wochentage waren und sind mit Beschaffungen und Auswärtsterminen belegt. Da ruhen die Tasten und die Pinsel auch. Aber wer um die Ecke wohnt: Mein Büchertisch (siehe oben) hat einiges zu bieten: Märchen, Kurzgeschichten, Gedichte, Abenteuer, Krimis und natürlich Karten, Lesezeichen, sechs handgebaute Titel zu „Kurtschlager Editionen“, Bilder und Drucke… Vielleicht wird ja ein Geschenk gesucht. Drei Sorten Honig sind auch zu haben – bitte einfach anrufen: 039883 48913 (damit wir auch da sind) oder auf gut Glück klingeln, die Kuhglocke neben der Klingel hören wir auch im entlegensten Gartenstück am Wald…

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Die Blume Magdalena

Ihre Lieblinge sind die Blumen: Margeriten, Kornblumen, Stockrosen und Klatschmohn – fein gearbeitet. Fotos: Lutz Reinhardt
Ihre Lieblinge sind die Blumen: Margeriten, Kornblumen, Stockrosen und Klatschmohn – fein gearbeitet.
Fotos: Lutz Reinhardt

Wer den Weg in den Hof der Alten Apotheke nimmt, findet hinter den leuchtend gelben Fenstern ein textiles Kunstreich, dass einen sogleich umfängt und umschmeichelt. Hier spinnt, strickt, filzt Magdalena Hohberg. Sie schafft dabei traumschöne Kleidung und Accessoirs. Jedes Teil, ob groß oder winzig, ist einzigartig. Es gibt kein zweites Gleiches in dem orangenen Atelier. Die textile Künstlerin wirkt inmitten ihrer Welt selbst wie eine Blume, die es nach der Kunstschule aus Posen in Polen über Hamburg, Kiel, Berlin, Frankfurt (Oder), nach Groß Schönebeck wehte. 18 Jahre lebt sie hier. Heute wieder alleinstehend, schafft die Mutter dreier Kinder unermüdlich und mit berührender Kunstfertigkeit schöne Dinge, die sie an den Wochenenden auf Märkten und Mittelalterfesten verkauft.
Die 46-Jährige ist nicht eine typische Filzerin. Hauptsächlich spinnt und designt sie ihre Kleidung. Das Filzen ist ein hinzukommendes Moment. Sie experimentiert mit Seide, Alpakawolle, Leinen und verbindet die Materialien. Daraus werden langlebige Lieblingsstücke. Magdalena verrät: „Eine Freundin trug 19 Jahre lang einen Pullover von mir. Weil sie zugenommen hatte, passte er in der Länge nicht mehr. Sie kam zu mir und bat: ‚Mach‘ was, ich liebe das Teil so sehr!‘ Da hab‘ ich etwas gezaubert. Am Ende sah der verlängerte Pullover so aus, als wäre er immer schon so gewesen. Es ist einfach toll, wie gut diese Sachen halten.“

Magdalenas handgefertigte Einzelstücke entstehen aus selbst gemischten Farben. Sie verbindet  die Wolle über eine Kardiermaschine. Die entstehenden Farbmischungen sind durchaus vergleichbar mit Malerei. Täglich neu greift die Frau intuitiv neu zu den Rot- …. oder Blautönen. „Ich würde eine gefundene Mischung nie wiederholen, weil das einfach langweilig wäre.“
Es fällt ihr nicht leicht, die Stücke aus der Hand zu geben, weil sie ihre eigene Energie darin spürt. Manchmal dauert es ein Weilchen, bis ihr es möglich ist loszulassen: „Aber dann kommt irgendwann die richtige Person zu der Kreation und dann ist es plötzlich ganz einfach sie wegzugeben. Für mich ist es ein Zauber, wenn der richtige Mensch zu einem Teil von mir kommt. Mit ihm bleibe ich verbunden.“

Magdalena Hohberg
Magdalena in ihrem künstlerischen Reich. An diesem Tisch versammeln sich gern einige Frauen, um miteinander einen genussreichen Kursabend zu verbringen.

Die Frau hockt an ihrem großen Mitteltisch im Atelier, erzählt von ihrer Textilkunst und bekommt dabei eine frohe Leichtigkeit. Sie hat dabei immer eine qualmende Zigarette in der Hand oder im Mundwinkel, als gäbe es ohne Rauch keinen Zauber. Hinter ihr türmt sich ein Wandregallager gefüllt mit auserwählten Wolleschätzen, mit denen verschmilzt die Künstlerin zu einem großen, lebenden Gemälde. Leidenschaft perlt aus diesem Bild.
Zweimal in der Woche kommen Frauen aus der Umgebung in die zwei Abendkurse hierher und tauchen in die Atmosphäre dieses Ortes ein. „Die können eigentlich schon alles, aber sie kommen, weil es schön ist so beieinander zu sein, natürlich beim Wein“, erzählt die Freiberuflerin und lässt weiter tief in diese entstandene Beziehung blicken: „Als ich wegziehen wollte, sind diese Frauen auf die Barrikaden gegangen – es war nicht erlaubt, da bin ich geblieben.“
Neben diesen zwei Kursen bietet Magdalena vor den großen Festen Ostern und Weihnachten Extrakurse für Einsteiger an. Hier geht es ausschließlich um’s Filzen oder Spinnen. „Die Techniken zu meiner Modegestaltung  bleiben natürlich meine Geheimnisse. Das ist wohl klar“, setzt sie nun streng nach.  Aber sicher muss das so sein, schließlich gingen ihrem profunden Wissen viele experimentelle Jahre voraus.  Diesen Goldstaub versprüht man nicht in einem Feierabendkurs. Er bleibt ihr wohl behüteter Schatz, aus dem sich jetzt nur ihre große Tochter, die Maskenbildnerin lernt, nähren darf. Wer allerdings eine gute Polnisch-Übersetzerin sucht, ist in diesem besonderen Quartier auch richtig. (pe)

Magdalena Hohbergs textiles Atelier  befindet sich in: Erst-Thälmann-Straße 47, 16244 Schorfheide, OT Gro Schönebeck. Tel.: 0177 9656248 oder per Mail: filzblume.magdalena@gmail.com

 

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