Versteck unter dem Hut (Abschnitt 4)

Öffentliches Arbeiten an einer Kurzgeschichte:

…Der Stein brannte förmlich auf seiner Haut, wie der Gedanke an die Zauberin. Er hatte sich ungebeten in seinem Kopf breitgemacht. Julius Silvester konnte nicht einschlafen, denn er kämpfte gegen das besitzergreifende Gefühl. Dieser Zustand hatte immer kurz über lang zu seiner Enttarnung geführt und die Frauen zogen in diesem Erkenntnismoment eisenhart die Grenzen ihrer Liebe zu ihm. Die meisten Menschen sind nur für ein Lebensweilchen füreinander gemacht, aber Julius Silvester war ein Schwan, ein monogames Wesen, das jede Trennung in die tiefste Krise stürzte. Er wollte sich nicht mehr verlieben, doch diese tiefsinnige Mittagsfrau schlich durch seine Nachtgedanken. Genervt wälzte er sich von seinem Laken, zog sich wieder an und schlenderte zu jenem Biergarten, in dem er schon zur Mittagsstunde saß. Eine Italienische Nacht hing über der Schönhauser Allee. Der Asphalt glänzte vom Smog, als hätte es gerade geregnet. Überall in den Freisitzen Gelächter und Musik, es schien, als würde kein Mensch an Schlaf denken. Der Biergarten war rappelvoll, so holte sich Julius Silvester vom Tresen ein Nulldreier-Bier und hockte sich damit auf die Bordsteinkante. Da sah er sie, bei den Tischen auf der anderen Straßenseite. Die Zauberin ging in einem bunten, wallenden Kleid von Tisch zu Tisch und las den Menschen aus ihren Händen. Eine Wahrsagerin? Immer wenn sie in keine Hand blickte, jonglierte sie mit Flämmchen und spuckte aufsehenerregend Feuerfontänen. Geheimnisvoll. Die Mitternachtsfrau erstaunte ihn. In ihrem Treiben sammelte sie Geldscheine und verteilte schöne Blicke. Julius Silvester zog sich unbemerkt zurück, er wollte ihre Straßenaktion nicht durch eine Begegnung stören…

© Petra Elsner
16. Juli 2019

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